Seit mehr als 25 Jahren gebe ich in Kursen das Wissen von der alten Handwerkskunst des Trockenmauerbaus weiter. In diesem Jahr haben sich dreizehn Frauen und Männer für den Kurs angemeldet. Nach einer kurzen theoretischen Einführung stehen wir bereits auf der Baustelle, wo die beiden versierten Steinarbeiter Xavier und José in den praktischen Teil einführen.
Bald tönt es laut «tock, tock, tock» durch das Wohnquartier. Zuerst geht es darum, ein Gefühl für den Stein zu bekommen und die verschiedenen Werkzeuge wie den Setzer oder das Zahneisen selber auszuprobieren.
Fundament und Schnurgerüst haben Xavier und José schon vor Kursbeginn vorbereitet. Die Kursteilnehmer können jetzt unter fachkundiger Anleitung die Steine am Mauerfuss setzen. In diesem Garten bauen wir Mauern aus Recyclingmaterial und Tessiner Granit. Trotz Temperaturen von über 30° im Schatten wird mit viel Elan und Freude gebaut. Und schon am ersten Abend sind einige Quadratmeter der Mauer bereits fertiggestellt.
Am zweiten Tag wird an der Recyclingmauer weitergebaut. Xavier und José zeigen, wie man Trockenmauern richtig bepflanzt und letztendlich mit Kies hinterfüllt.
Beim Trockenmauerbau ist ein gutes Auge gefordert, um Steine auszuwählen, die möglichst wenig behauen werden müssen – und Geduld bei der Arbeit mit dem Steinwerkzeug.
Eine Trockenmauer besteht immer aus zwei Teilen: der sichtbaren Vormauerung und der dahinter liegenden Hintermauerung. Letztere stabilisiert zusammen mit den sogenannten Bindesteinen die gesamte Mauer. Wichtig ist, dass zwischen Vor- und Hintermauerung kein Kies eingebaut wird. Beide Mauerteile müssen frei stehend halten, um sich nicht zu neigen oder umzufallen.
Die Technik des Trockenmauerbaus ist eine sehr alte Handwerkskunst. Schon lange vor der Erfindung des Zements wurde sie in ganz Europa angewandt. Terrassierungen für den Anbau von Obst und Wein, Ställe, Häuser und Dämme wurden in Trockenmauerbauweise errichtet und stehen teilweise heute noch. Bei dieser Bauweise wird ganz ohne Zement eine Schwergewichtsmauer erstellt. Je höher, desto massiver muss die Mauer sein. Im Kurs zeigen wir, wie man Mauern bis zu einem Meter Höhe bauen kann. Tatsächlich sind aber viel höhere Mauerwerke möglich. Im Tessin kenne ich eine Mauer, die eine Höhe von elf Metern aufweist. Ich selber habe schon Mauern über fünf Meter geplant und mit meinem Team umgesetzt.
In den Fugen und Ritzen wachsen spezialisierte Arten, die sich diesem extremen Lebensraum angepasst haben. Dazu zählen Mauerpfeffer, Zimbelkraut, Mauerfarn, Polster-Glockenblume, Feld-Thymian und Moose. Eine Trockenmauer dient auch einer Vielzahl an Tierarten als Unterschlupf. Allen voran der Mauereidechse, die gut besonnte Mauern bevölkert. Aus diesem Grund ist eine Steinmauer, die mit Beton hinterfüllt ist, als Lebensraum nicht geeignet und bleibt steril. Im Theorieteil zeige ich, wie man einen Amphibien-Unterschlupf in eine Mauer einbaut und wie man Lebensraum für Mauer- und Mörtelbienen schafft.
Die Steinart und die Form der Steine bestimmen das Fugenbild der Mauer. Zyklopische, wilde Steine, aber auch Feld- und Flusssteine ergeben unregelmässige Bilder mit grossen Fugen und Ritzen. Profi-Steinarbeiter achten darauf, dass in der Maueransicht keine Kreuzfugen (wenn vier Steine in der Ecke zusammenkommen) und lange Lager- oder Stossfugen vorkommen. Lagerfugen bezeichnet man die Längsfugen (wo die Steine horizontal aufeinander liegen). Auf keinen Fall sollen mehr als fünf Steine aneinander liegen. Stossfugen sind dementsprechend die Fugen, bei denen die Steine vertikal aneinander stossen. In einer Profimauer liegen maximal drei Steine übereinander. Bei Missachtung dieser Regeln wären diese Stellen instabil und könnten über die Jahre zu Problemen führen.
Am Ende des Kurses ist die Recyclingmauer fertig gebaut. Es macht den Teilnehmenden sichtlich Freude, ihr Werk zu begutachten. Und die Kursteilnehmer spüren, was die Faszination des Gärtners ausmacht: am Ende jeden Tages steht ein Werk, über das man sich freuen kann.
1 comments On Wie man eine Trockenmauer baut
Vielen Dank für den tollen Beitrag und die vielen Fotos. Toll, das Sie seit mehr als 25 Jahren Kurse geben und das Wissen von der alten Handwerkskunst des Trockenmauerbaus weitergeben. So einen Kurs würde ich tatsächlich auch gerne besuchen, insbesondere wenn ich Ihre tollen Ergebnisse sehe. In meinem Garten würde ich auch gerne eine Beton Steinmauer bauen und suche nun einen Anbieter dafür in Niederösterreich. Vielleicht habe ich ja zu meinem nächsten Projekt auch die nötigen Kenntnisse und kann dann selber eine Mauer kreieren.